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15Aug/180

Die Legende von Dead Man’s Hand

Die Originalfassung von Dead Man’s Hand (DMH) stammt von Great Escape Games (2013) und wurde vom französischen Studio Tomahawk in einer späteren Version durch zusätzliche, optionale Regeln erweitert. Bei dem vorliegenden Review handelt es sich um die deutschsprachige Fassung des DMH Regelwerks, welches hierzulande durch Stronghold Terrain vertrieben wird. Vorangegangene Regelerweiterungen sind in dem 94-seitigen Buch enthalten und ein weiteres Mal um zusätzliche optionale Regeln und Charaktere ergänzt worden.

The Legend of Dead Man's Hand

Worum geht es?
Dead Man’s Hand legt besonderen Wert darauf, die Atmosphäre der Italowestern aus den 1960er und 70er Jahren einzufangen. In mehreren Minikampagnen oder in freien Szenarien, treten dabei zehn unterschiedliche Banden in Scharmützelkämpfen gegeneinander an.
Die Geschichte der fiktiven Wild West Stadt Dead Man’s Hand beginnt 1853 in Arizona und wird in Storyfetzen bis ca. 1870 sporadisch weiterbeschrieben. Wie die Stadt zu ihrem Namen gekommen ist, bleibt aber ungewiss, obwohl einige Legenden davon berichten. Daher auch der Name des Spiels.

Besonders die steigende Zahl der Tabletopdaddys und ältere Veteranen werden sich hier schnell wohl fühlen, aber auch allgemeine Fans von Western werden sich hier schnell einleben können, da der Hauptfokus des Spiels auf dem erzählerischen, anstatt dem kompetitiven Spiel liegt.

Erster Eindruck
Ich habe Dead Man’s Hand dieses Jahr auf der RPC spontan testspielen können und war von der kurzen Spieldauer und der tiefen Atmosphäre angetan. Einer meiner Freunde übernahm dabei die Rolle der Gesetzshüter, während ich die Gesetzlosen spielte.

Obwohl ich im Grunde genommen nicht so der Fan historischer Spiele bin, konnte DMH dennoch bei mir Punkten, da das Spiel an sich eigentlich nur ein Regelwerk stellt und es am Markt eine recht große Vielfalt an Wild West Figuren für jeden Geschmack gibt.

Das Buch selbst kommt als stabiles Hardcover mit eingearbeitetem Lesezeichen aus Stoff daher. Die letzten Seiten des Buches enthalten abgedruckte Spielmarken und einen Referenzbogen mit Modifikatoren, die praktischer Weise auch noch einmal als lose Pappbögen beiliegen – wer also keine zusätzlichen Marker aus Holz kaufen möchte, kriegt hier mit etwas Bastelarbeit gleich ein paar schöne Marker dazu. Die Artworks sind nicht so detailliert, wie man es möglicherweise von anderen Herstellerpublikationen kennt, passen jedoch sehr gut in das Setting und stören so den Gesamteindruck nicht.

The Legend of Dead Man's Hand The Legend of Dead Man's Hand

Wie spielt sich Dead Man’s Hand?
Der Regelteil des Buchs umfasst knapp 30 Seiten, während der Rest des Buchs Szenarios, Banden und kleine, lose zusammenhängende Kampagnen beschreibt. Die Banden bestehen meist aus drei bis sieben Modellen, wobei die Größe bei der Zusammenstellung von den jeweiligen Punktwerten der Banden beeinflusst wird.

Jedes Modell hat im Grundpool drei Aktionen pro Runde, die situationsbedingt gewählt und angesagt werden müssen. Die Spieler wählen dabei aus, ob die Charaktere sich bewegen, zielen, schießen, oder sich erholen sollen. Besonders erfrischend ist die einfache Handhabung der Bewegungsregeln – jedes Modell kann bis zu sechs Zentimeter nach oben klettern und bis zu acht Zentimeter nach unten. Auf ebenerdigem Gelände, Treppen oder über hüfthohe Zäune hinweg, kann die volle Bewegung von zehn Zentimetern in einer Aktion genutzt werden.
Bei der Ansage aller Aktionen kommt es besonders darauf an, seine Absicht verbal klarzumachen und dem Spiel so eine Logik zu vermitteln, denn diese wird von den Spielern selbst getragen. Beispiel: „Carlos rennt von der einen Seite der Hauptstraße zum Strongholdladen rüber und versteckt sich so hinter der Ecke, dass er nicht beschossen werden kann, in der nächsten Runde aber aus der Deckung heraus feuert.“. Ich habe meinem Spieler so klargemacht, dass ich mich mit meinen drei Aktionen jeweils drei Mal bewege und nur die Nase ums Gebäude rausstrecke, so dass ich ihn in der nächste Runde sehe, er mich diese Runde aber nicht beschießen kann.

The Legend of Dead Man's Hand

Diese Art der Kommunikation zwischen den Spielern hilft nicht nur den kompetitiven Faktor im Spiel deutlich zu entschärfen, sondern erzeugt auch noch ein sehr dichtes, narratives Filmfeeling. Die Abhandlung der Schusssequenzen läuft ebenso einfach – abhängig von der Waffe gibt es einen bestimmten Trefferwert, der mit einem W20 ermittelt wird und der Abzüge durch Bewegung, wiederholte Schüsse und Deckung erhalten kann, oder Boni, beispielsweise durch vorheriges Zielen. Muttests werden mit einem W10 durchgeführt.

Die Aktivierung der Modelle erfolgt im Übrigen nicht abwechselnd, sondern wird nach dem höchsten Wert des Kartendecks bestimmt, die zufällig gezogen werden. So kann es zwar sein, dass eine Seite alle Modelle vor der anderen Seite aktivieren kann, aber es kann auch vorkommen, dass die Banden jeweils abwechselnd ihre Modelle aktivieren. Hier wird es wichtig zu entscheiden auf wen man schießt, da das die Reihenfolge während des Spiels maßgeblich beeinflussen kann.

Wie geht es weiter?
Dead Man’s Hand enthält derzeit zehn unterschiedliche Banden im Buch und eine Reihe von Sondercharakteren, die angeworben werden können. Great Escape Games bietet komplette Banden zum Kauf an, aber das generelle Angebot am Markt ist im Wild West Bereich relativ breit. Wer seinem Spieltisch mehr Atmosphäre verleihen will, wird sich hier sicher früher oder später ohnehin umsehen.

Ein großer Faktor für das Spiel ist, wie bei allen Scharmützelspielen, das Gelände. 4Grounds bietet hier sowohl für den schmalen als auch den dickeren Geldbeutel eine breite Auswahl an, fest steht aber, dass hier der größe Posten in Punkto Kosten liegt.

Zum Spielen benötigt man weiterhin die Dead Man’s Hand Spielkarten, welche dem Regelwerk nicht beiliegen, ein Lineal von wenigstens zehn Zentimetern Länge und ein paar zwanzigseitige Würfel. Weitere Marker sind ein nettes Gimmick, liegen dem Regelbuch aber bei und daher kein Muss.

The Legend of Dead Man's Hand

In englischer Sprache sind bereits zwei Erweiterungen erhältlich: The Curse of Dead Man’s Hand und Down Under. Stronghold hat hier bereits Voraussicht bewiesen und wird die Erweiterungen im nächsten Jahr als weiteres Buch veröffentlichen. Down Under wird hintergrundtechnisch dabei allerdings in abgewandelter Form in Dead Man’s Hand selbst spielen, nicht in Australien. Wer nicht so lange warten will, dem kommt Stronghold entgegen und wird die bereits übersetzten Regeln für weitere Banden, etc. auf deren Page als Download anbieten.

Die neuen Banden sind im Übrigen nicht nur eine Homage an Klassiker, wie „Die glorreichen Sieben“, sondern unternehmen auch einen kleinen Schlenker in Richtung Fantastik. So gibt es beispielsweise eine Bande Untoter, angeführt von einem Voodoo Hungan, oder den Grafen, der selbst ein Vampir ist und mit seinem Hof reist.

The Legend of Dead Man's Hand The Legend of Dead Man's Hand

Fazit
Bis auf einen kleinen Copy-Paste-Fehler bei den Sondercharakteren ist mir am Buch nichts negativ aufgefallen. Die Qualität ist hochwertig und wird sich selbst bei häufiger Verwendung dank des Hardcovers lange halten. Da das gesamte Regelwerk vollfarbig ist, geht auch der knackige Preis von 35,- € voll in Ordnung.

Besonders gut hat mir die Szenariosektion gefallen. Hier kriegt man schnell ein Gefühl für einen guten Aufbau einer Westernstadt und kriegt ziemlich fix eigene Ideen für Kampagnen. Auch die Auswahl der Modelle am Markt ist schön breit aufgestellt. Die geringe Größe der Banden lädt auch dazu ein mehrere von diesen zu spielen und diese vielleicht im Zuge einer Kampagne aufzubauen, so wie es demnächst auch hier im Chaosbunker zu sehen sein wird.

Da das Spiel ein Skirmisher ist, liegt der Hauptkostenpunkt hier nicht bei den Regeln oder den Modellen, sondern beim Gelände. Daher muss hier erwähnt sein, dass die tiefe Westernatmosphäre auf dem Tisch erst entsteht, wenn dieser auch entsprechend ausgestattet ist.

Grüße aus dem Wilden Wes…äh, dem Chaosbunker
Dino

Dead Man's Hand wird von Great Escape Games vertrieben und in der deutschen Übersetzung durch Stronghold Terrain.

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veröffentlicht unter: Historisch, Reviews Kommentar schreiben
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